Pheaton - 2nd Era

Part 3

 Eine schwere vierspännige Kutsche rumpelt eilig über die Handelsstraße. Vorbei an einem Wegweiser, der in Richtung Norden auf die Stadt Zoltinaar hinweist. Sie wird begleitet von vier gepanzerten Reitern mit wild schnaubenden Pferden.
 "Sire. Es sind noch vierundvierzig Meilen, die Pferde sind erschöpft und die Nacht bricht in wenigen Stunden an. Wir müssen pausieren.", versucht einer der Insassen zu erklären.
 Der Angesprochene, in eine rot-weißen Robe gekleidet, mit einem roten vierarmigen Kreuz auf weißem Grund als Wappen am Kragen nickt bedächtig.
 "Ikol, Ihr habt recht. Ich denke es hat bis morgen Zeit, daß die Nachricht über die Zerstörung des Südlichen Tempels den Erzbischof von Zoltinaar erreicht. Und den König, der seine Truppen gegen diese Horde schicken muß."
 "Sire..."
 "Jede Stunde, die wir verlieren, kostet unzählige Leben."
 "Wir werden die Hauptstadt niemals erreichen, sollten wir die Pferde zerschinden."
 "Nun. Was schlagt ihr also vor?"
 "Ein paar Meilen voraus gibt es eine Herberge, die letzte vor Zoltinaar. Dort können wir die Tiere ein paar Stunden erholen und versorgen lassen. Morgen bei Tagesanbruch brechen wir wieder auf."
 "Gut. Kutscher! Haltet an der Herberge. Reiter," ruft er durch das Fenster, "Bereitet sie auf meine Ankunft vor."

 Die vier Ritter bringen ihre Reittiere auf dem Hof der Herberge zum Stillstand. Sie springen fast leichtfüßig ab und einer von ihnen schlägt viermal kräftig gegen die Tür.
 "Immer herein, Thorbrands Herberge hat einen Platz für jeden frei." Antwortet eine rauhe aber freundliche Stimme.
 Der Klopfer nimmt seinen Vollhelm ab und mit einem genervten Seitenblick drückt er die Eichentür auf. Sein Blick fällt auf die Brust eines Mannes, der nur einen Schritt hinter der Tür steht, um seine neuen Gäste zu begrüßen. Zunächst sieht er nach unten, doch der Kerl steht nicht, wie zunächst vermutet, auf einem Schemel, um größer zu erscheinen. Dann hebt er den Kopf wieder und als er schließlich in die Augen Thorbrands blickt, schreckt er kurz zurück.
 "Ich habe schon lange keine Ritter der Kirche mehr untergebracht. Die meisten kampieren lieber zehn Meilen weiter in der kleinen Abtei." Thorbrandt überragt den Ritter um einen ganzen Kopf. Von der Breite würde er den Türrahmen ausfüllen, und es ist kein Fett, daß ihn so massig erscheinen läßt. Doch scheint sein Kriegerleben schon lange hinter ihm zu liegen. Er wischt sich seine Hände an der schmutzigen Schürze ab und streckt dem Ritter die Rechte entgegen. "Verzeiht, daß ich mich nicht verbeuge, aber der Rücken in meinem Alter, sie verstehen sicher."
 "Ich bin Ritter Wulfstan.", entgegnet "In wenigen Minuten wird der Paladin Hal von Schwertkamm hier eintreffen. Wir benötigen zwei eurer Zimmer oder mindestens das Beste und einen Platz für fünf Personen im Stall. Einar, sieh dir den Stall an. Die Kutschpferde müssen so schnell und so gut wie möglich versorgt werden."
 "Oh, der Paladin Hal von Schwertkamm. Nun, im Augenblick sind sogar alle Zimmer frei, daher könnt ihr euch zwei davon aussuchen. Der Stall befindet sich hinter dem Haupthaus, nicht zu verfehlen. Nun denn tretet ein, seht euch um, kann ich euch einen Krug Bier oder einen Wein anbieten?"

 Eine halbe Stunde später erreicht die Kutsche mit naßgeschwitzten Pferden die Herberge. Die Sonne verschwindet hinter den westlichen Bergen und das verbleibende Dämmerlicht erzeugt eine bedrohliche Stimmung. Sofort springt der Kutscher von seinem Bock und reißt die Kabinentür auf. Heraus treten die beiden Passagiere in ihren prunkvollen Gewändern. Der Paladin trägt unter dem Goldbestickten Cape einen funkelnden Plattenpanzer, wahrscheinlich mit echtem Silber beschlagen. Vor dem Gasthaus warten zwei der vol gerüsteten Ritter mit flackernden Fackeln. Wulfstan hatte angeordnet, daß immer mindestens ein Mann, der Truppe draußen wache steht. Der zweite begleitet den Paladin ins Innere.
 Der rustikal eingerichtete Raum bietet Platz für mindestens zwei Dutzend feiernde Gäste oder könnte ausgeräumt für die selbe Zahl als Schlafraum dienen. Die Fenster sind mittlerweile mit schweren Laden verdeckt, da kein Tageslicht den Raum mehr erhellen würde. Der Blick des Paladins bleibt an einer Stelle der Wand gegenüber der Eingangstür haften.
 "Wem gehören diese Barbarenwaffen?" fragt er laut. Die zwei Bauern, die ihren allabendlichen Schlummertrunk einnahmen schrecken auf, sie waren in ein Würfelspiel vertieft und hatten die Ankunft der hohen Persönlichkeit nicht bemerkt.
 "Mir, Thorbrandt Dragenthod." Ertönt die dumpfe Stimme von jenseits der Theke an einer anderen Seite des Raumes. "Diese ‚Barbarenwaffen' haben seinerzeit mehreren Echsen das Lebenslicht ausgelöscht." Bei den besagte Waffen handelt es sich um eine gigantisch anmutende, zweischneidige Axt und eine schwere Ochsenherde, nichts weiter als einen Streitkolben, der mit 3 statt nur einer einzelnen an einer Kette baumelnden Stachelkugel versehen ist.
 "Ihr seid der Besitzer dieses, ... Etablissements?"
 "Nun ja. Ich habe einiges Geld hineingesteckt und die Angestellten hören auf mich, wenn Ihr das meint."
 Ein leichtes Erstaunen zeigt sich auf dem Gesicht des Paladins, als er den Wirt erblickt. Der alte Krieger kommt auf ihn zu und deutet mit einem Nicken eine Verbeugung an. Vorsorglich verzichtet der Paladin auf eine Schelte wegen der Mißachtung seiner Stellung. Statt dessen reicht er diesem ‚Barbaren' die Hand.
 "Es freut mich einen echten Drachentöter kennenzulernen, wenn dem den tatsächlich so ist."
 "Ich habe die Trophäen gut verwahrt und kann sie euch vorführen, wenn ihr mögt."
 "Dazu wird keine Zeit bleiben, aber ein andermal vielleicht. Wo liegen die Zimmer?"
 Lange blieben der Paladin und seine Begleiter nicht im Schankraum. Bis auf die Wache vor der Tür zogen sie sich bald in ihre Schlafräume zurück.